"Sollen wir das wirklich machen oder lassen wir das besser sein? Haben wir ein Recht darauf das zu tun? Und falls wir das Recht haben, würden wir Recht bekommen? Und falls es nicht aussichtslos wäre Recht zu bekommen, können wir das durchstehen?", Gedanken die uns momentan viel begleiteten.
Wir denken darüber nach ob wir rechtliche Schritte einleiten sollten, wegen der "Behandlung" in der geschlossenen Psychiatrie während unserer Psychose im letzten Jahr.
(Siehe auch: Akute Psychose: Einfach nur verwirrt oder in sich Logisch? Teil 1 (seelenpuzzle-dis-gedanken.com) und Akute Psychose: Einfach nur verwirrt oder in sich Logisch? Teil 2 (seelenpuzzle-dis-gedanken.com) - im zweiten Teil geht es mehr um die Behandlung in der Klinik)
Trotz der Zeit die seit dem Vergangen ist, spüren wir immer noch die Auswirkungen die diese "Behandlung" auf uns hatte. Es geht uns dabei nicht so sehr um die Fixierung und Zwangsmedikation an sich. Klar diese Geschehnisse waren schrecklich und aus unserem Mund wird niemals zu hören sein, dass wir das für gut befinden, aber wir verstehen, dass dies nötig gewesen war. Es wäre für uns ebenso schlimm gewesen, in der Psychose zu bleiben. Keine Behandlung wäre realistisch gesehen auch keine Option gewesen.
--- Nachfolgender Absatz könnte Triggernd sein ---
Viel mehr geht es darum, dass wir orientierungslos eingesperrt waren und uns sämtliches Wasser / Trinken entzogen wurde, dass wir dachten wir verdursten und wir in Folge unserer "Lösungsversuche" an Wasser zu kommen fixiert wurden. Dass uns während der Fixierung keine Elektrolyt-Lösung gegeben wurde, aber auch nichts zu trinken, bzw. das umklammern, des kurz an die Lippen gehaltenen Pappbechers mit den Zähnen, als Aggression gedeutet wurde. Darum, dass wir uns zusätzlich und ungünstiger Weise mit dem Bett, vor ein Fenster manövriert hatten und dann zugedeckt mit einer Decke, von der wir uns durch die Fixierung nicht befreien konnten, in der prallen spätsommerlichen Sonne standen.
Es geht darum, dass wir darauf angewiesen waren, dass man uns von außen mit Flüssigkeit versorgt, aber der Pfleger der zur Überwachung der Fixierung im Zimmer saß und eine Wasserflasche dabei hatte, sich Ohrenstöpsel in die Ohren steckte und uns ignorierte. Und das obwohl unser Mann angegeben hatte, dass wir schon 1,5 Tage vor Aufnahme ins Krankenhaus nicht mehr getrunken und gegessen hatten und auch im richterlichen Beschluss zur Zwangsmedikation stand, dass uns eine Elektrolyt-Lösung gegeben werden solle.
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Es ist ein Schlag ins Gesicht, im Entlassbrief des Krankenhauses zu lesen, dass sie eine Elektrolyt-Lösung nicht gegeben haben, weil sie es nicht für nötig befunden haben, obwohl sie auch reingeschrieben haben, dass unser Mann das mit dem nicht Trinken angegeben hatte. Man hätte doch daraus schließen müssen, dass wir neben dem Schlafentzug auch dehydriert waren. Alle anderen Maßnahmen hatten sie doch schließlich auch für nötig erachtet...
Wir waren Hilflos. Wir konnten nicht sagen: "Ich habe Durst." Aus unserem Mund kam alles mögliche, aber unsere Bedürfnisse konnten wir nicht äußern und sie auch nicht eigenständig erfüllen.
Vor einer ganzen Weile hatte ein Anteil von uns einen Brief an die Klinik geschrieben. In diesem war die Bitte um eine Aufarbeitung dieser Vorkommnisse formuliert. Auf diese Bitte erhielten wir nie eine Antwort. Eigentlich war der Anteil, welcher diesen Brief schrieb auch direkt davon überzeugt gewesen, dass wir uns da Rechtsbeistand suchen sollten und dieses Verhalten der Klinik zur Anzeige bringen. Ich war es die meinte, dass wir es mit einem Brief versuchen sollten.
Ich habe oft das Gefühl, dass wir nicht das Recht haben Unrecht, welches uns geschehen ist anzuzeigen oder groß Aufsehens darum zu machen. Die Geschehnisse aus unserer Kindheit hatten wir schließlich auch nie zur Anzeige gebracht. Warum sollten wir es jetzt machen wegen so einer "Kleinigkeit"?
Irgendwie gebe ich uns auch immer wieder selbst die Schuld, wenn uns Dinge passieren. Ich hätte ja besser aufpassen können oder Hilfe holen oder mich bemerkbar machen oder oder oder....
Scheinbar liegt es uns wirklich nicht sehr auf uns gut aufzupassen. Auch in dieser Situation hätte es ja gar nicht so weit kommen müssen..., hätte ich unseren Mann darum gebeten den Urlaub damals eher zu beenden und uns notfallmäßig Beruhigungs- und/oder Schlaftabletten zu besorgen, hätten wir vielleicht die Psychose vermeiden können. Aber das ist uns nicht in den Sinn gekommen. Wir wollten niemanden wegen uns einschränken, weshalb es uns als ein Unding erschien uns rechtzeitig Hilfe zu holen.
Blöd gelaufen.
Am Ende haben wir damit alles nur Schlimmer gemacht.
Aber da sind wir wieder bei dem Dilemma... Sollen wir für uns in diesem Fall wirklich mal Recht einfordern?
So oft höre ich von irgendwelchen Leuten, die wegen irgendeinem Blödsinn bis vor den obersten Gerichtshof klagen oder Schmerzensgeld zugesprochen bekommen. Also ich meine jetzt wirklich unnötige Dinge, z.B. weil die Nachbarn im Garten rauchen oder weil dessen Kinder zu laut draußen spielen.
Unser Schwager wurde mal im Schritttempo vom Auto angefahren, ist quasi unverletzt geblieben und die Beschuldigte hatte sich sofort um ihn gekümmert. Er hat auf Schmerzensgeld geklagt und ich glaube er hatte recht bekommen.
Würde ich in diesem Fall auch Recht bekommen? Stünde uns das zu? Neben den alten Traumafolgen hat diese Episode definitiv auch Spuren hinterlassen. Zu der Angst erneut in eine Psychose zu geraten, begleitet uns Angst vor dem Verdursten, wenn wir gerade an nichts zu Trinken kommen und in unseren Albträumen ist dies ebenso ein Aspekt, welcher vorher nie vorkam.
--- Nachfolgende Absätze könnten Triggernd sein ---
Neulich laß ich einen Zeitungsartikel, in welchem KZ-Überlebende schilderten, wie sie vor einem Wassereimer, in der Sonne, an einen Pfahl gebunden wurden und fast verdursteten. Es wurde als Folter beschrieben. Ich musste weinen, weil mir das Gefühl, welches dort beschrieben wurde so sehr vertraut war.
Ich weiß, es ist bestimmt trotzdem nicht vergleichbar. Im Krankenhaus hatte niemand wirklich die Absicht uns zu schaden. Trotzdem fühlte es sich so an. Wir wussten ja auch nicht was gerade mit uns passiert, waren verwirrt, orientierungslos, hilflos, ausgeliefert und verwechselten die Gegenwart mit der Vergangenheit, wo es tatsächlich Personen gab, die uns quälen wollten. Einfach nur weil es ihnen Spaß machte.
Das mit dem Verdursten wird durch den Aspekt ergänzt, dass wir durch die Zwangsmedikation sehr an sog. "Restless-Legs" litten.
"Das Restless-Legs-Syndrom (kurz RLS), (...) äußert sich durch einen unbeherrschbaren Bewegungsdrang und quälende Missempfindungen insbesondere in den Beinen. Die Beschwerden treten hauptsächlich in Ruhe auf und bessern sich bei Bewegung." (Wikipedia, 2024)
Wir haben das öfter, ausgelöst durch bestimmte Psychopharmaka. Normalerweise stehen wir dann auf und laufen herum um die Schmerzen, die durch Ruhe entstehen, zu mildern. Das hält allerdings immer nur so lange vor, bis man wieder zur Ruhe kommt. Dann geht es erneut los.
Still sitzen oder Liegen ist mit RLS unmöglich und extrem unangenehm. Quasi als wenn es dich ständig von innerhalb deiner Beine überall juckt und kitzelt und du kannst nicht kratzen. Nur dass es nicht nur kitzeln alleine ist sondern auch zunehmend wehtut.
Nun in diesem Fall waren wir aber Fixiert und konnten nichts gegen die Schmerzen, welch in Ruhe immer stärker wurden, machen und wie auch mit dem Trinken konnten wir das nicht äußern oder die Situation selbst ändern. Der Bewegungsdrang war auch ein Grund dafür, dass wir uns so sehr in den Fesseln hin und her warfen, dass wir das Bett vors Fenster bewegten.
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Ist es ok das zu Bemängeln? Ist das übertrieben? Ist es überhaupt möglich dafür Recht zu bekommen? Wir hatten ja einen Unterbringungs-, Zwangsmedikamentierungs- und Fixierungsbeschluss, dessen Notwendigkeiten an sich wir auch nicht in Frage stellen. Hätte uns das Personal während der Ausführung der Beschlüsse enger Begleiten müssen? Hätten sie mehr auf unsere Grundbedürfnisse achten müssen?
Sollen wir wirklich aufzeigen, dass uns Unrecht getan wurde oder lassen wir das besser sein? Haben wir ein Recht darauf das zu tun? Und falls wir das Recht haben, würden wir Recht bekommen? Und falls es nicht aussichtslos wäre Recht zu bekommen, können wir das durchstehen? Recht haben und Recht bekommen sind ja auch noch mal völlig verschiedene Dinge.... Und könnten wir uns überhaupt einen Anwalt leisten, falls es einen gibt, der dazu bereit wäre diesen Kampf mit uns auszutragen?
Als ersten Schritt haben wir uns schonmal die komplette, verpflichtende Dokumentation der Zwangsmaßnahmen angefordert. Vielleicht hilft es auch schon das zu lesen und zu verstehen was die sich bei ihren Maßnahmen oder bei der Unterlassung dieser gedacht haben... Oder ob unsere Wahrnehmung komplett falsch ist und alles ganz anders abgelaufen ist, als wie wir das erinnern.
Wir hoffen nur, dass die Aufzeichnungen nicht nachträglich geändert wurden oder sich irgendetwas zu dokumentationszwecken ausgedacht wurde, damit es schöner klingt. Leider wissen wir, dass so etwas vorkommt. Ehemalige Kollegen von uns haben das teilweise so gehandhabt um etwas, dass nicht so gut gelaufen ist zu beschönigen.
Wir haben für uns in dieser Form noch nie Recht eingefordert.
Vielleicht wäre es auch ein Schritt Richtung: "Wir lassen nicht mehr alles mit uns machen und treten für unsere Rechte ein. " Wir haben kaum die Möglichkeit den Missbrauch aus unserer Kindheit anzuzeigen, laufen ständig mit dessen Folgen herum. Müssen wir das in diesem Fall auch aushalten oder dürfen wir heute etwas dagegen sagen. Ein Unterschied ist ja auch, dass der Krankenhausaufenthalt von sich aus schon Dokumentiert ist. Wir müssten nicht erst einmal beweisen, dass überhaupt etwas potenziell traumatisches stattgefunden hat.
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Wikipedia (2024), "Wikipedia" - Restless-Legs-Syndrom, Zugriff am 22.08.2024, Unter: Restless-Legs-Syndrom – Wikipedia
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